Den richtigen Riecher hatte ich für 2020. Mein Plan: mehr online arbeiten – ich wollte eine Internet-Präsenz für unser Schlagzeug-Duo aufbauen, mein Auftrittstraining auch online anbieten und meine Social-Media-Abneigung überwinden. Dass ein paar Monate später das Internet sowieso the only place to be ohne Mund-Nasen-Schutz und das Leben außerhalb des virtuellen Raumes weitgehend still gelegt sein würde, ahnte ich im Januar noch nicht.
Der ursprüngliche Plan: Mein erster Onlinekurs
Ich machte mich also in hochmotivierter Neujahrsstimmung ans Werk und plante mein erstes kleines, aber feines Onlineauftrittstraining. Selbst das Anlegen meines ersten Social-Media-Kanals brachte mich nicht aus der Ruhe. Wobei, ein bisschen peinlich war es mir dann doch, dass mich eine Facebook-userin freundlich darauf hinwies, dass ich um Missverständnisse zu vermeiden für Social Media doch lieber nicht die Abkürzung SM wählen sollte. Ich hatte in meinem ersten Beitrag auf der Plattform stolz verkündet, dass ich es tatsächlich geschafft habe, etwas auf Facebook zu posten, obwohl ich ein absoluter SM-Neuling bin! Na ja, man lernt ja nie aus. Und zum Glück war trotz dieses Fauxpas meine SM-Karriere, äh, meine So-Me-Karriere auch nicht gleich zu Ende und es kamen 16 Teilnehmerinnen zum Auftrittstraining in meine Facebook-Gruppe. Und deren Feedback war durchweg positiv!
Marens Kurs ist eine geniale Auftrittsvorbereitung und Möglichkeit, freudvoller und effektiver zu Üben. Es hilft kreative und musikalische Ziele bewusst und mit mehr Leichtigkeit zu verfolgen. Einbeziehung von mehr Körper-und Gedankenbewusstsein und ganz einfachen TIpps und Übungen. Gleichzeitig ist der Kurs ganz toll integrierbar in den Alltag, weil es immer kleiner wertvoller Input und Übungen sind, die man sich zeitlich einteilen kann.
-Julia
Ich kann diesen Kurs absolut weiterempfehlen! (…) Durch Maren kam ich an Punkte, die ich alleine niemals so detailliert beleuchtet und gelöst hätte. Dank dafür!
-Sabrina
Der Kurs von Maren Voermans „Dein perfekter Auftritt“ ist ein wunderbarer Kurs, wenn du mit Auftrittsängsten zu tun hast und daran etwas ändern möchtest. Maren erklärt in dem Kurs kompetent, warum es das Phänomen „Auftrittsangst“ gibt und gibt zahlreiche Tipps und Lösungsvorschläge, wie du besser damit umgehen kannst oder sie sogar komplett verlieren kannst. Mit einer guten Mischung aus Video, Audio und Aufgaben, die man im eigenen Tempo selbst bearbeitet, ist der Kurs ein echtes Gesamtpaket.
-Nicole
Diese schönen Rückmeldungen bekam ich am Ende meines Onlinekurses. Das war Ende März. Da hatte ich also erste Erfahrungen im Moderieren von Facebook-Gruppen, im Live-Streamen von Videos und im Durchführen von Videokonferenzen. Allerdings hatte ich mein normales Leben, meinen Alltag nicht mehr. Alles fiel aus: Konzerte, Kinderbetreuung und Kontakte.
Planänderung Nr. 1: MachMitMusik
Wo nun also offiziell alles nur noch online stattfinden sollte, musste ich meinen Laptop liegen lassen und mich offline darum kümmern, meine drei Kinder ohne Kita und Freunde bei Laune zu halten. Alles kein Problem: meine Augen freuen sich, wenn ich nicht in einen Computer starren muss und ich verbringe herzliche gerne den ganzen Tag mit meinen Kindern. Aber eines geht wirklich nicht: ein Tag ohne Musik. Ohne Schlagzeugspielen fehlt was. Aber auch das ist kein Problem, wenn man mit seinem Duopartner verheiratet ist. Mark und ich überlegten, während wir mit den Kindern im Sandkasten spielten, wie wir weiter Musik machen, wie wir unser Publikum über´s Internet erreichen und wie wir bloß an unsere Instrumente kommen könnten (das Instrumentarium eines klassischen Schlagzeugers ist leider nicht im heimischen Wohnzimmer unterzubringen – für ein Set Kesselpauken, ein knapp 3 Meter langes Marimbaphon und ein Sortiment an Trommeln und Triangeln ist in Berliner Altbauwohnungen leider kein Platz, sodass wir zum Musikmachen immer in den Proberaum fahren müssen). Und so entstanden jede Menge Sandkuchen und die Idee zur MachMitMusik.
Das hieß neben jeder Menge Spaß beim Ausprobieren, Planen und Aufnehmen aber auch, dass wir uns in viele neue Dinge einarbeiten mussten. Wir waren Drehbuchschreiber, Komponisten, Kameraleute, Tontechniker, Regisseure, Cutter und Aufführende in Personalunion. Und von dem meisten hatten wir keine Ahnung. Also wurde der Laptop wieder ausgekramt und nächtelang Tutorials geschaut, ausprobiert, getüftelt, geflucht (leise, um die Kinder nicht zu wecken) und so ein Video nach dem anderen produziert.
“Wenn uns die Kinderbetreuung und das Live-Musikerleben fehlt, dann geht das wohl auch vielen anderen Familien so”, dachten wir uns. Deshalb probierten wir mit unseren Kindern die klanglichen Möglichkeiten unserer Besteckschublade, das Rhythmuspotenzial der grimmschen Märchen und das Ensemblespiel mit unseren Putzeimern aus. Die kleinen Videos, die dabei herauskamen, wurden jeden Mittwoch in der Reihe KonzertZuHaus vom Konzerthaus Berlin gesendet. Marks Orchester war im Lockdown sehr aktiv und erstellte ein buntes Programm, in dem die Musiker*innen in unterschiedlichen Formaten Onlinekonzerte gaben, Playlists erstellten oder einen Blick hinter die Kulissen gewährten. Wir durften mit unserer MachMitMusik ein Teil davon sein und jede Woche ein Video beisteuern.
Urlaubsreif
Unsere Heimproduktionen wurden von Woche zu Woche aufwendiger und unsere Augenringe immer tiefer. So entstanden im Laufe des Lockdowns neun Videos, viele neue Fertigkeiten am Computer und eine tiefe Fertigkeit, die sich aus täglicher Kinderbetreuung und nächtlicher Arbeit ergab und uns gründlich urlaubsreif machte.
Da wir sowieso immer nur innerhalb Deutschlands Urlaub machen -alles andere ist uns mit drei kleinen Kindern einfach zu aufwendig- konnten wir uns wenigstens in den Sommerferien Normalität vorgaukeln und wie in normalen Sommerferien auch einige sehr schöne Tage auf dem Bauernhof und an der Ostsee verbringen. (Wobei ein leerer Ostseestrand im Hochsommer wohl ein klares Indiz dafür ist, dass etwas ganz und gar nicht normal ist).
Damals, ich war 2 Jahre alt, lasen meine Eltern mir jeden Abend “Tranquilla Trampeltreu” von Michael Ende vor. In Endlosschleife. Bis ich eingeschlafen war. Ich habe diese Anekdote immer für eine Legende gehalten und sie erst geglaubt, als ich selbst jeden Abend mehrere Stunden lang kinderliedersingend am Bett meines Zweijährigen verbrachte.
Ich bestand darauf -auch das besagt die Legende- dass jedes Tier in der Geschichte in einer anderen Stimmlage vorzulesen war. Außerdem verlangte ich ein Lied für jedes Tier, das meine Eltern improvisieren sollten. Ich hatte also damals schon eine sehr genaue Vorstellung davon, wie die Geschichte lebendig vorzutragen ist und gab als wache Regisseurin in meinem Kinderbettchen keine Ruhe, bis die Performance meiner Eltern meiner Vorstellung entsprach. Kein Wunder also, dass Michael Endes Text über die Schildkröte Tranquilla Trampeltreu, die zur Hochzeit des Löwenkönigs Leo des Achtundzwanzigsten gehen will, bei mir tief verankert ist.
Als Mark und ich 2012 überlegten, was wir meiner Schwester und meinem Schwager zur Geburt ihrer Tochter schenken könnten, fiel mir sofort Tranquilla Trampeltreu ein. Als Hörbuch für unsere kleine Nichte. Damit ihre Eltern abends Zeit für sich hätten, weil das Kind zum Einschlafen einfach die Geschichte aus einer Konserve hören konnte. Wir nahmen die Geschichte auf, lasen mit verteilten Rollen und verstellten Stimmen, komponierten Musik dazu und ließen unsere Schlaginstrumente in der Geschichte mitspielen. Der Plan ging auf, das Kind schlief brav zu unserem Werk. Da behaupte nochmal jemand, Schlagzeugmusik sei zum Einschlafen nicht geeignet…
Aber die Eltern des schlafenden Kindes nutzten die freie Zeit nicht für sich -was ja eigentlich unser Geschenk an sie war- sondern hörten ebenfalls zu. Und waren sehr amüsiert über unsere Vertonung. Da entstand die Idee, das Stück auch live aufzuführen. Es vergingen dann auch nur 8 Jahre (uns kamen selbst einige Babypausen dazwischen), bis es soweit war und das Stück im Konzerthaus Berlin Premiere feiern durfte. Wäre nicht wieder ein Lockdown gewesen. Aber da auch unsere Heldin Tranquilla, mit der wir in diesem Jahr bei unzähligen Proben sehr viel Zeit verbracht haben, sich von nichts und niemandem von ihrem Ziel abbringen lässt, bleiben auch wir zuversichtlich, dass sie es irgendwann auf eine Konzertbühne schaffen wird.
Allerdings wird sie womöglich überholt. Vom Fischer und seiner Frau. Die beiden stehen dank Corona nämlich jetzt in den Startlöchern. So besch*** dieses Jahr auch war, so brachte es auch einige neue Ideen und Möglichkeiten hervor, die sonst noch auf der langen Bank gewartet hätten. Im Sommer machte mich meine Freundin auf die Künsterlerstipendien des Berliner Senates aufmerksam. Es gab einen Fördertopf zur Vorbereitung künstlerischer Projekte während der Corona-Zeit.
Planänderung Nr. 3: Ein neues Musiktheater entsteht
Ich las die Ausschreibung zwei Tage vor Einsendeschluss. Was mich erstmal dazu veranlasste, meine Idee sofort wieder zu verwerfen (weil drei Kinder zuhause, noch unfertige MachMitVideos im Schnittprogramm und chronische Übermüdung) . Da ich aber den straken Impuls hatte “komm, das machst du jetzt einfach”, begann ich am Abend vor Einsendeschluss dann doch damit, meine Bewerbung um ein Stipendium für Künstlerinnen, die ein Programm für junges Publikum anbieten, zu schreiben.
Die Idee für ein Schlagzeugmärchen frei nach “vom Fischer und seiner Frau” schwirrt mir schon länger im Kopf herum, daher wollte ich es jedenfalls nicht unversucht lassen. Eine Nachtschicht später war die Bewerbung raus und ich vergaß sie auch direkt wieder, da ich mir überhaupt keine Hoffnung darauf machte, dass die Jury mein Projekt auswählen würde. So war ich zwei Monate später sehr verwundert darüber, dass eine Mail vom Berliner Senat in meinem Postfach war. Und deren Inhalt konnte ich erst gar nicht glauben. Mein Projekt war wirklich für eine Förderung ausgewählt worden! Seit August arbeite ich nun an unserem Schlagzeugmärchen. Der Plan vom Anfang des Jahres, mehr online zu arbeiten, ist nun wieder völlig über den Haufen geworfen und ich verbringe viel Zeit mit meinen Instrumenten und dem Komponieren von Musik.
Netzwerk
Wobei ich auch online doch Einiges auf die Reihe gekriegt haben. Zumindest gemessen daran, dass ich vor ein paar Monaten so gut wie keine Onlinepräsenz hatte. Meinen Auftrittstrainingkurs vom Anfang des Jahres haben Mark und ich gemeinsam weiterentwickelt und in ein Angebot für Musiker*innen einfließen lassen. Unser Auftrittstraining Bühne frei ist jetzt buchbar, alle Informationen stehen hier auf unserer Website. Die ich in diesem Jahr übrigens nebenher auch noch gebastelt habe.
Das alles wäre aber nicht ohne die Inspiration und Unterstützung von Kolleginnen und Freundinnen möglich gewesen. Für die Website bekam ich ganz unverhofft Hilfe von der großartigen Susanne Buckler, die ihr Business-Coaching-Angebot ausweiten und auch die Begleitung von Website-Entstehungen anbieten will. Ich durfte ihr “Versuchskaninchen” sein. Dass das Layout unseres Bühne frei – Flyers so hübsch geworden ist und unsere Website tatsächlich online ist, habe ich zu großen Teilen Susanne zu verdanken.
Meine Zweifel darüber, ob es überhaupt möglich ist, Online-Kurse für Musiker*innen zu geben, wurden dank Maria Busqué über Bord geworfen. Als Teilnehmerin in ihrem Flow-Seminar habe ich erlebt, wie gut es gelingen kann, Körperwahrnehungsübungen für Musiker online zu unterrichten und dass sich unter den Teilnehmern sogar ein Gruppengefühl einstellt und ein intensiver Austausch stattfinden kann. Das war für mich überraschend, hatte ich doch bisher die Befürchtung, dass sich im Online-Business nur laute, dreiste Marketing-Experten ohne Empathie auf der Suche nach mehr Umsatz rumtreiben. Dank der vielen klugen Online-Unternehmerinnen, die ich in diesem Jahr kennengelernt habe, weiß ich mittlerweile, dass das zum Glück nicht stimmt.
Wenn ich in diesem lärmigen Internet nicht zufällig Johanna Tschirpke kennengelernt hätte, würde ich jetzt sicher nicht an meinem ersten Blog-Artikel schreiben. Dadurch, dass ich Johanna an meiner digitalen Seite weiß, kann ich einfach jedes Online-Projekt anfangen und wenn ich mal wieder den “Veröffentlichen”-Button nicht finde oder das Mailingprogramm gegen mich ist, dann rufe ich Johanna an und sie eilt mir mit jeder Menge virtuellen Assistenz-Kompetenz zu Hilfe. Während Johanna im Internet surft, segelt sie um die Welt. Bei ihr sehe ich, welche Freiheit und Unabhängigkeit die Online-Arbeit mit sich bringen kann.
Planänderung Nr. 4: Statt nach Holland zu reisen schicken wir unsere Videos
Aber da das wohl noch eine Weile dauern wird, bis es so weit ist, mache ich das, was in diesem Jahr am allermeisten Spaß gemacht hat: Ich drehe mit Mark weitere Videos. Diesmal in unserer neuen Reihe #tamtam mit Schlagwerk Voermans. Wir stellen unser Schlaginstrumentarium vor, plaudern aus dem Schlagzeuger*innenleben und bereiten natürlich auch immer wieder was zum Mitmachen vor. Besonders freut mich, dass wir mit unseren Videos auch den Weg in die Niederlande gefunden haben. Wir konnten dieses Jahr nicht in Marks Heimat fahren. Sogar das Sinterklaas-Fest haben wir dieses Jahr verpasst. Aber unsere Videos dürfen ohne sich an Quarantäne-Regeln zu halten über die Grenze fliegen und deshalb gibt es sie auch auf niederländisch. Wer uns also mal auf holländisch erleben will, kann sich unsere Videos auf der Seite der limburgischen Tambourkorpsen ansehen.
Es reicht
Und trotzdem: auch wenn ich in diesem Jahr erfahren habe, was online alles möglich ist und dass man sich über´s Internet verbunden fühlen kann (bei gutem Wlan versteht sich), reicht es jetzt mit den ausschließlichen Distanz-Kontakten. Meine Kinder müssen ganz dringend ihre Großeltern wiedertreffen, ich will Johanna auf ihrem Boot besuchen und ins Theater und in Konzerte gehen.