Wie wir aus Versehen zu Instrumentenbauern wurden

Im Herbst 2021 gaben Mark und ich unser erstes Online-Konzert. Ein Unterfangen, das teilweise absurde Züge annahm, z.B. als wir im Baumarkt die akustischen Eigenschaften von Lichtschaltern testeten.

Denn so sehr wir uns lange dagegen gesträubt hatten, ein Konzert zu streamen („Also bitte! Die Energie eines Live-Konzertes lässt sich doch niemals über´s Internet übertragen!“), so sehr legten wir uns dann doch ins Zeug, um einen besonderen musikalischen Online-Abend zu gestalten („Tja, wenn ein Ende dieser Pandemie nicht abzusehen ist, dann spielen wir jetzt doch ein Streaming-Konzert. Aber dann lass es uns wenigstens besonders kreativ machen!“).

Und dieses Besonders-Kreativ-Machen beinhaltete zunächst ein wildes Ideensammeln zu „Wie klingt der Herbst?“. Gemäß unseres Mottos Die Welt mit anderen Ohren sehen liefen wir in den ersten Brainstormtagen mit sehr offenen Ohren durch die Gegend und stormten unsere Gehirne und die Geräuschkulisse unseres Alltags zum Themengebiet HERBST.

  • Dunkle Jahreszeit
  • fallende Blätter
  • Gemütlichkeit
  • Laternenfest
  • Licht/Feuer
  • Halloween
  • Hausmusik
  • Süßigkeiten

Die Liste wurde länger und länger und schließlich kam mir auch die -im wahrsten Sinne des Wortes- zündende Idee, wie wir „Licht/Feuer“ hörbar machen würden:

„Das Geräusch eines Lichtschalters ist toll! Wir müssten doch nur eine Reihe von Lichtschaltern nebeneinander aufbauen, an jeden eine Glühbirne samt Laterne hängen und dann haben wir einen rhythmischen Lichtertanz!“

Ich sah das Bild der rhythmisch aufflackernden Laternenreihe deutlich vor mir. Ich musste nur noch Mark dazu bringen, sich diese Idee auch so wahnsinnig cool vorzustellen und alle kritischen Nachfragen zur konkreten Umsetzung zu unterlassen. Zwar habe ich meistens auch keine Ahnung, wie genau wir meine mich in Begeisterung versetzenden Ideen in die Tat umsetzen sollen, aber das hält mich nie davon ab, sie trotzdem zu verfolgen. Und so standen Mark und ich wenig später im Baumarkt und testeten alle vorhandenen Lichtschalter auf ihre klanglichen Eigenschaften. Unsere konzentrierte Schalterklanganalyse wurde nur mehrfach von „Kann-ich-Ihnen-behilflich-sein“-Nachfragen von irritiert dreinschauenden Obi-Mitarbeitern unterbrochen. Aber auch ohne Hilfe des Fachpersonals fanden wir schnell unseren eindeutigen Favoriten: den in beide Richtungen knackig schaltende Wechselschalter.

 

Hier sieht man die fertige Konstruktion: die perkussiven Kippschalter über ihren Laternen. Von unserem ersten Ausflug zum Baumarkt bis zur fertigen Wechselschalter-Laternenkonstruktion vergingen allerdings noch viele Tage und viele Nerven. Und wir bereuten, die Obi-Verkäufer nicht doch in unser Vorhaben eingeweiht zu haben. Nicht nur, weil sie uns dann vermutlich nicht so irritiert angeschaut hätten, sondern vor allem, weil sie uns darauf hingewiesen hätten, dass unsere Schalterfavoriten zwar tolle Kippgeräusche machen, aber unsere Laternen nicht zum Leuchten bringen würden.

Denn in den Wechselschaltern fehlte ein kleines Dings, das den Strom von der Steckdose über die Wechselschalter zu den Laternen leiten würde. Die von uns bereits erworbenen zehn Wechselschalter waren nur darauf vorbereitet, an der Wand zu hängen und eine direkte Verbindung zu einer Birne herzustellen. (Für eloquentere Erklärungen zu Elektrothemen fehlt mir leider Verständnis und Fachvokabular.)

Der Weg zur Erleuchtung

Wenn ich mit meinem Latein (oder meinem Elektrovokabular) am Ende bin, kommt immer Marks Einsatz. Er gibt nicht auf, bevor er nicht wirklich alles probiert hat, um eine gute Idee – für die er meine rhythmischen Laternenreihe mittlerweile auch hielt- zu realisieren.

Und so fragte er sich bei elektroversierten Fachleuten durch, bis er die fehlenden Dinger und das Know-how für deren Einbau in die Wechselschalter hatte.

Und so wurde das Laterneninstrument rechtzeitig zum Online-Konzert im November fertig.

Der Weg zur Erleuchtung

Die Entwicklung unseres Lampiophons dokumentierten wir auf unseren Social-Media-Kanälen

Parallel zum Instrumentenbau mussten wir die Komposition fertigstellen (wie notiert man Lichtschalter?) und die (in einem ausgeklügelten System notierte) Komposition einstudieren. Natürlich auswendig, da man im Dunkeln bzw. im Flackerlicht nicht unbedingt gut Notenlesen kann.

Und nachdem also das Instrument, die Komposition und ein mit unseren eigens für das Streaming-Konzert engagierten Licht- und Tontechnikern erstellter Technikplan fertig war, nachdem wir mehrere Probedurchläufe gemacht und unsere Wohnung onlinekonzertfähig umgebaut hatten, fand am 12.11.2021 bei unserem Konzert „Hörst du, wie viel Sternlein stehen“ die Weltpremiere unserer Laterneninstrument-Komposition statt.

Und während des Konzertes wurde das neu erfundene Instrument von einer Zuschauerin auf den Namen LAMPIOPHON getauft.

Denn das Streaming-Konzert transportierte sehr wohl unsere ohrenöffnende Herbst-Energie durch die Weiten des Internets – im Chat spendeten die Zuschauer*innen virtuellen Applaus und die Kommentare überschlugen sich. Bei unserem Aufruf, dem extra für diesen Anlass erfundenen Instrument einen Namen zu geben, las ich im Chat als erstes „Lampiophon“ und fand: ein würdiger Name!