Hard times XIII

Frap ba-ba-ba bap, ta-ka-ta-ka-ta-kaa, ka-ta-ka-ka 

😖 sch***, nochmal:

Frap ba-ba-ba bap, ta-

😖 sch***, nochmal:

Frap ba-ba-ba bap, ta-ka-ta-ka-ta-

😖AAAARRRGGGH

Frap ba-ba-ba bap, ta-ka-ta-ka-ta-kaa, ka-ta-ka-ka-ta ba-ba-ba-ba.

😊Ok, gut, nochmal:

Frap ba-ba-ba bap, ta-ka-ta-ka-ta-kaa, ka-ta 

😤   sch**** sch**** sch***    😤 

Diese Zeilen, die vermutlich auch als dadaistisches Gedicht durchgehen würde, sind die ersten 1,2 Takte der Etüde Nr. 8 aus den „Advanced Etudes for Snare Drum“ von Mitchell Peters. Inklusive der emotional aufgeladenen Kommentare, die parallel in meinem Kopf abliefen.

Du siehst hier eine typische Übesequenz aus meiner Studienzeit. Ich kann mich noch lebhaft an die Advanced Snaredrum Studies von Mitchell Peters erinnern. Nach dem Üben hatte ich immer einen Knoten im Hirn. Und war meistens maximal frustriert.

Falls du die Hard Times VIII gerade nicht im Ohr hast, findest du hier ein Video, in dem Mark die Etüde erst singt und dann trommelt. Damit du einen Eindruck davon bekommst, was ich hier oben versucht habe zu notieren (und davon, was Mark für ein crazy Typ ist).

Fehlversuche und Frustration

Aber zurück zu meiner Übesession. Hard Times trifft es tatsächlich ganz gut. Nicht nur für die Advanced Etudes. Meine gesamten Studienzeit waren Hard Times, was die verbissene Überei anging. Ich wollte schnell große Fortschritte machen und übte stundenlang so, wie ich es oben beschreiben habe: eine Phrase, eine paar Takte, bis zu einem Fehler. Dann direkt nochmal von vorne, bis zum nächsten falschen Ton. Das Fluchen und Schimpfen fand -jedenfalls meistens- nur in meinem Kopf statt. Zu hören waren kürzere oder längere Tonfolgen, die immer abbrachen, sobald irgendwas nicht klappte. Und dann: nochmal von vorne. Und nochmal. Und nochmal. Solange, bis ich die Takte -zufällig- mal ohne falsche Töne spielte. Nach einem fehlerfreien Mal ging ich entweder direkt zum nächsten Takt, zur nächsten Phrase über, um dort dieselbe „Trial-and-Error“-Methode anzuwenden. Oder ich wiederholte den einmal gelungen Takt zur „Festigung“ noch einmal, geriet aber wieder in denselben „falscher Ton- Fluch -nochmal!“-Kreislauf wie zuvor).

Nach unzähligen Stunden des „Übens“ konnte ich die meisten Stücke irgendwann spielen. Aber der Weg dahin war  mühsam, kostete viele Nerven (meistens blieb es ja auch nicht nur bei den stillen sch*** – Flüchen. Bei schwierigen Stellen liefen in meinem Kopf stille Hassreden über das doofe Stück und meine unzureichenden Fähigkeiten ab) und unendlich viele Stunden.

So sehen sie aus, die Hard-Times-Etüden. Und bevor mich viele entrüstete Zuschriften erreichen: in Marks gesungener Interpretation haben sich zwei Fehler eingeschlichen: In T. 7 und T. 20 singt er statt der notierten Sechzehntelquintole eine Sechzehntelsextole. Das hat er wohl falsch abgespeichert…

Trampelpfade im Gehirn

Durch diese Versuch-und-Irrtum-Methode kommt man also auch voran, schließlich trommelte ich mich im Laufe des Studium durch viele Hard Times. Dass das ruhelose, ständige Versuchen und Scheitern aber keine besonders kluge Übe-Methode ist, merkte ich damals nur an meiner Frustation. Erst kurz vor meinem Studienabschluss bekam ich die Erklärung dazu, warum mein Üben so anstrengend und freudlos war.

Meine Schlagzeugklasse war zu einem Workshop bei einer Mentaltrainerin verdonnert worden. Freiwillig wäre ich wahrscheinlich nicht hingegangen, da ich kurz vor meinem Examenskonzert stand und deshalb natürlich dringend üben musste…

In diesen vier Workshop-Stunden sind mit so viele Schuppen von den Augen gefallen, dass mich das Thema Mentaltraining und gehirngerechtes Üben seither nicht mehr losgelassen hat. Ich habe durch die Mentaltrainerin Wieke Kasten in vier Stunden mehr Nützliches für meine Übepraxis erfahren als in den vorangegangenen 20 Jahren Instrumentalunterricht zusammen.

Die wichtigste Erkenntnis für meine Hard Times war: Das rastlose Wiederholen bringt wenig außer Frust. Denn durch immer wieder zu probieren, zu scheitern und direkt wieder zu probieren, hat das Gehirn keine Zeit, den Versuch zu verarbeiten. Stattdessen treten sich die Fehlversuche wie ein immer breiter werdender Trampelfahrt immer tiefer ins Gedächtnis ein: jeder Fehlversuch wird abgespeichert! Und dementsprechend schwierig ist es, die vielen Fehlversuche mit einer guten Version zu überschreiben.

Die 3-Sekunden-Regel

Ich sollte also dringend die Anzahl der Fehlversuche reduzieren. Und die einfachste Methode, um das zu erreichen ist:

3 Sekunden Ruhe. Nach einem Versuch kurz warten. Damit das Gehirn Zeit hat, den vorangegangenen Versuch zu verarbeiten und den nächste vorzubereiten.

Es stellt sich dann fast automatisch ein neuer Fokus ein, mit dem man die unternommenen Versuche reflektiert und den nächsten Versuch plant. Aber die Hauptsache ist: 3 Sekunden warten. Ruhe.

Und diese Ruhe brachte mir eine unglaubliche Erleichterung. Mit dem Wissen darum, dass ich durch wenige, in Ruhe ausgeführte Versuche, stabile Verbindungen in meinem Gehirn bauen konnten, durch die die richtigen Noten viel abgespeichert wurden, brachte mir eine viel größere Gelassenheit beim Üben und viel mehr Sicherheit beim Vorspielen. Die Ruhe aus dem Überaum ließ sich mitnehmen auf die Bühne.

Und so wurden die Hard Times ganz zum Ende meines Studiums doch noch zu dem, was sie sind: ziemlich herausfordende Trommeletüden. Aber ich konnte ihnen von nun an mit mehr Gelassenheit begegnen. Sie waren nicht mehr der Anlass für maximale Frustration

Mittlerweile spiele ich die Hard Times VIII gerne, kann sie aber noch immer nicht richtig singen. Aber bei meinen Sing-Versuchen (natürlich unter Beachtung der 3-Sekunden-Regel!) stoße ich keine wilden Flüche mehr aus. Meistens lache ich stattdessen sehr herzlichen über die Verrenkung meiner Zunge beim Aussprechen von Bidilibidilibap

😅.